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19-02-07 Hausgeburt Ilsenburg 2

Der 21. Oktober 2018 wird Familie Liebecke für immer in ganz besonderer Erinnerung bleiben. An diesem Tag kam ihr zweiter Sohn Marius auf die Welt. Zu Hause . Marius war die erste Geburt in Ilsenburg seit 23 Jahren. Die Entscheidung für eine Hausgeburt hatte dabei vor allem praktische Gründe. Schon ihr erster Sohn Vincent hatte es eilig das Licht der Welt zu erblicken und ließ seinen Eltern kaum Zeit für die Fahrt ins Krankenhaus. Da das zweite Kind meist noch etwas schneller ist als das erste, haben die beiden eine Geburt in den eigenen vier Wänden in Betracht gezogen. „Anfangs war die Entscheidung nicht einfach weil man natürlich viele Bedenken und Sorgen hat. Aber auf Grund unserer Erfahrungen mit Vincent haben wir stark damit gerechnet, dass Marius daheim zur Welt kommt und entsprechend vorgesorgt. Letztendlich haben wir alles richtig gemacht.“ Als Ina Liebecke dies sagt, blickt sie zu ihrem Mann und lacht. Wie sie weiter berichtet, war der nun überglückliche Vater vor der Geburt sehr aufgeregt. Jetzt mit etwas Abstand erzählt er jedoch begeistert von der Erfahrung. „Wir waren zu Hause in unserer gewohnten Umgebung, Ina wollte sogar noch Plätzchen backen, doch dann ging es schon los. Vielleicht ist es nicht für jeden etwas, doch ich würde es auf jeden Fall empfehlen.“

Wie Ina Liebecke erzählt, war die Situation im heimischen Umfeld sehr entspannt, auch wenn es im Vorfeld viele Fragen zu klären gab. Eine wichtige Rolle bei der Entscheidungsfindung spielte auch ihre Hebamme Henriette Wolff. Im Herbst 2018 zog sie mit ihrer Hebammenpraxis „Unter dem Herzen“ von Wernigerode in den Handwerkerhof in Ilsenburg und war damit direkt vor Ort und schnell einsatzbereit. „Die Betreuung durch Henriette war super. Sie hat uns viele Ängste genommen und uns während der ganzen Zeit bestens beraten.“, so Ina Liebecke.

Dabei war es auch für die Geburtshelferin keine alltägliche Erfahrung. „Natürlich erlebe auch ich das nicht jeden Tag. Dementsprechend angespannt war ich, doch während der Betreuung hat sich herausgestellt, dass es möglich ist, dass die Geburt zu Hause erfolgt.“ Natürlich kenne sie die Einwände, dass es ein erhöhtes Risiko gäbe, doch muss dies von Fall zu Fall betrachtet werden. Bei Frauen mit Problemen während der Schwangerschaft oder Vorerkrankungen, würde man sich gegen eine Hausgeburt entscheiden. Doch generell kann man nicht sagen, dass eine größere Gefahr für das Kind bestünde. „Ich habe in Hamburg und Köln als Hebamme gearbeitet. Zwei Geburtshelferinnen im Nachtdienst und 18 Geburten, da ist es unbedenklicher, wenn das Baby zu Hause zur Welt kommt und Mutter und Kind über die gesamte Dauer der Geburt von einer Hebamme betreut werden.“

Mittlerweile ist Henriette Wolff in Ilsenburg angekommen. Als sie zum ersten Mal den Weg zum Handwerkerhof suchte und skeptisch die angrenzenden Firmengelände betrachtete, hätte sie nicht gewusst, was genau sie erwartet. Doch als sie schließlich auf dem Hof vorfuhr und die potentiellen Arbeitsräume betrachtete, wusste sie, dass dies der richtige Ort ist. Seit fast drei Jahren gibt es die Hebammenpraxis „Unter dem Herzen“ schon, doch nachdem sie sie sich im letzten Jahr von ihrer Geschäftspartnerin trennte, suchte sie nach einem passenden Ort, um die Arbeit allein fortzuführen. „Der Handwerkerhof ist fast so etwas wie ein Gesundheitszentrum und ich fühle mich bestens aufgehoben.“, so Wolff. Mit Physiotherapie und Zahnarzt gäbe es schon ein umfangreiches Angebot. Was fehlt sei ein Kinderarzt, wie sie schmunzelnd erzählt.

Auf ihre Berufswahl angesprochen erzählt die Hebamme, dass es schon immer ihr Traumjob war. Doch speziell in den letzten Jahren hätte sich die Situation als Selbstständige erheblich verschlechtert. Die Versicherungsbeiträge für Beleghebammen in den Krankenhäusern wurden drastisch erhöht. Zwar bestünde die Möglichkeit auf eine Kostenrückerstattung, doch müssten dafür bestimmte Geburtszahlen im Quartal erreicht werden. Sollte dies durch Krankheit oder Ähnliches nicht möglich sein, würde die gesamte Summe aufgerufen. Dies sei zuzüglich Betriebskosten kaum zu erwirtschaften. Aus diesem Grund konzentriere sie sich momentan verstärkt auf die Geburtsvorbereitung, -nachbereitung, Babymassagen, Still- und seit kurzem auch Partnerschaftsberatung. „Die Beziehungsdynamik verändert sich mit der Geburt des Kindes und da ich viele Familien über einen längeren Zeitraum betreue, vertrauen mir die Paare. In diesem Bereich möchte ich in Zukunft noch aktiver werden.“, so Henriette Wolff. Dennoch hoffe sie, dass sich die Versicherungsfrage bald entschärft, denn auch für sie sei die Geburt der Höhepunkt auf den sie zusammen mit den Familien hinarbeitet.

Einen Tipp, den sie allen Familien geben möchte, hat sie auch: sich rechtzeitig um eine Hebamme kümmern, am besten schon in der 12. Schwangerschaftswoche und anstatt Google lieber die Hebamme anrufen: „Es ist ein 24-Stunden-Job. Auch wenn es manchmal anstrengend ist, bin ich froh, wenn sich die Familien auch spät abends bei mir melden.“

BU: Auch für Bürgermeister Denis Loeffke war die erste Geburt in Ilsenburg seit 23 Jahren etwas ganz Besonderes. Er überbrachte der jungen Familie im Namen der Stadt eine kleine Aufmerksamkeit.

25.02.2019